Kooperation für die schnellere Entwicklung von Medikamenten
DESY und CrystalsFirst starten Zusammenarbeit, um die präklinische Wirkstoffforschung zu beschleunigen. Ziel des gemeinsamen Projekts „LigandML“ ist es, die experimentellen Möglichkeiten des DESY mit seinen Großforschungsanlagen zu nutzen, um die Qualität der Daten in der Arzneimittelforschung insbesondere dort zu verbessern, wo Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt. Das Projekt wird von der Innovationsförderungsbank (IFB) Hamburg gefördert.
Die Projektpartner wollen ermöglichen, neue Wirkstoffe schneller entdecken zu können als je zuvor. Dazu nutzt CrystalsFirst die proprietäre SmartSoak®-Technologie, mit der sich mögliche neue Wirkstoffe per Kristallographie schon heute zehnmal schneller finden lassen als mit hergebrachten Methoden. Die Technologie stabilisiert die Proteinkristalle, die man in einer Lösung mit zahllosen Wirkstoffkandidaten tränkt, um auszuprobieren, welche dieser Kandidaten – auch „Liganden“ genannt – an das Protein binden. Normalerweise sind die Kristalle instabil und müssen nach einem unsystematischen Prozess des Ausprobierens langwierig optimiert werden. Mit SmartSoak® dagegen sind die Kristalle robust verwendbar, was das Verfahren erheblich beschleunigt. Die Bindestrukturen von Ligand und Protein werden mit den hochauflösenden Röntgenmikroskop-Aufnahmen der DESY-Röntgenlichtquelle PETRA III präzise aufgeklärt, die KI wertet diese sehr schnell aus und lernt, welche Details in den Strukturen für eine effektive Bindung notwendig sind. So kann man die Wirkstoffkandidaten schon gezielter vorauswählen und kommt noch schneller zu Ergebnissen: Vielversprechende Wirkstoffe, die es weiterzuentwickeln gilt.
Die Projektpartner versprechen sich von diesem innovativen Ansatz, dass die Zeitspanne für die Identifikation eines neuen Wirkstoffs von Monaten auf Wochen oder sogar Tage sinkt. Dadurch würde der kostspielige Prozess der Entwicklung neuer Medikamente nicht nur erheblich beschleunigt, sondern auch viel kostengünstiger.
Die neue Methode würde also die Prozesse vor als auch nach den Experimenten für akademische und industrielle Nutzer im Bereich der makromolekularen Kristallographie effizienter gestalten. Dies betrifft die Experimentierstation, oder Beamline, für makromolekulare Kristallografie (P11) von PETRA III, die von der pharmazeutischen Forschung häufig verwendet wird. „Das LigandML-Projekt ist ein bedeutender Schritt nach vorn in unserem Bestreben, die Funktionen der Beamline zu verbessern“, sagt Arik Willner, Chief Technology Officer bei DESY. „Die Integration, Digitalisierung und Automatisierung des Probenmanagements und der Datenanalyse ist für die akademischen und industriellen Nutzer von PETRA III von großem Vorteil. Die Datenverfügbarkeit und die verbesserte Benutzerfreundlichkeit werden zu besseren und schnelleren Ergebnissen führen, die entsprechend frühzeitiger veröffentlicht werden können und zur Entwicklung neuer Arzneimittel führen.“
Die Zusammenarbeit von DESY und CrystalsFirst unterstreicht das Engagement beider Projektpartner, Innovationen zu fördern und wissenschaftliche Grenzen zu überwinden. Es wird erwartet, dass die Ergebnisse des Projekts auch das geplante Up-grade von PETRA III zu PETRA IV, der dann brillantesten Röntgenstrahlungsquelle der Welt, beeinflussen werden. „Unsere Zusammenarbeit ist von entscheidender Bedeutung, um eine neue Ebene der pharmazeutischen Innovation zu erreichen“, sagte Serghei Glinca, Gründer und CEO von CrystalsFirst. „LigandML wird nicht nur den Prozess der Identifikation von medizinischen Wirkstoffen beschleunigen, sondern auch den Weg für einen effizienteren, datengesteuerten Ansatz in der therapeutischen Entwicklung ebnen.“
Johanna Hakanpää, die verantwortliche Wissenschaftlerin an der Beamline P11, erklärt: „Unsere Hochdurchsatz-Beamline ist speziell auf Projekte zur Identifizierung von Wirkstoffkandidaten ausgerichtet. Im Idealfall können hier innerhalb von 24 Stunden über 700 Proben gesammelt werden. Dieses Projekt ist eine spannende Gelegenheit, neue Arbeitsabläufe zu schaffen, die die Effizienz der Experimente verbessern und sich von der Probenvorbereitung bis hin zur Metadatenverarbeitung und Ergebnisdarstellung erstrecken.“
Konkret hat sich LigandML zum Ziel gesetzt, den Zeitaufwand für die Phasen „Target-to-Lead“ und „Lead-Optimierung“ um 35 Prozent zu reduzieren und gleichzeitig die Erfolgsraten um 50 Prozent zu steigern. Darüber hinaus wird das Projekt vorhandene Datenpunkte in ein einheitliches System integrieren, was die Datenanalyse erleichtert und nicht nur den Projektpartnern, sondern auch akademischen und industriellen Forschenden zugutekommt.
Seit seiner Gründung als Spin-Off des Instituts für Pharmazeutische Chemie der Philipps-Universität Marburg im Jahr 2018 hat CrystalsFirst die Grenzen der Wirkstoffforschung kontinuierlich erweitert. Der Umzug auf den DESY-Campus in Hamburg im Jahr 2021 ermöglichte den direkten Zugang zu DESYs Synchrotronlichtquelle PETRA III für industrielle Strahlzeit und damit weitere Fortschritte.
Die Förderung durch die IFB Hamburg beträgt knapp eine Million Euro. Das Projekt startete am 1. September 2023 und hat eine Laufzeit von einem Jahr.
veröffentlicht
- 14.12.2023
Pressekontakt
- innovation@desy.de