Axolotl soll helfen, Solarzellen zu verbessern
Zu den großen Hoffnungsträgern in der Solarindustrie zählen Perowskite. Diese Materialien könnten Silizium als halbleitender Grundbaustein von Solarzellen ablösen, da sie genauso gut verfügbar, aber viel leichter zu verarbeiten sind. Die höchsten Wirkungsgrade werden aber erreicht, wenn sie mit Silizium im Doppelpack verwendet werden: oben wandelt die Perowskitsolarzelle sichtbares Licht in Strom um, unten die Siliziumzelle Infrarotlicht. Allerdings ist es schwierig, Perowskite großindustriell herzustellen. Ein neues bei DESY entwickeltes Messverfahren könnte helfen, diesen Mangel zu beheben. Es trägt den Namen Axolotl.
Forschende um den DESY-Physiker Michael Stückelberger haben das Verfahren entwickelt: Axolotl hat nichts mit dem gleichnamigen, lustig aussehenden Schwanzlurch aus Mexiko zu tun. Es ist ein Akronym und steht für „Analyzer of X-ray excited Optical Luminescence Offering Temporal and spectraL resolution“, also etwa „Analysator für röntgenangeregte optische Lumineszenz mit zeitlicher und spektraler Auflösung“. Dabei handelt es sich um einen rund einen Meter breiten und 50 Kilogramm schweren Kasten, in dem Objektiv, Spiegel, Linsen, Strahlteiler, Sensoren, Kameras und ein Spektrograf verbaut sind. Optimiert ist er für die Strahlführung P06 der Röntgenlichtquelle PETRA III bei DESY, kann aber weltweit eingesetzt werden. Im Prinzip ist Axolotl eine spezielle Form der bereits etablierten XEOL-Technologie (X-ray Excited Optical Luminescence), die mit Röntgenstrahlen Materialien durchleuchtet und ihrerseits zum Leuchten im optischen Spektrum anregt. Das Aussehen dieses Lichts liefert Informationen über Eigenschaften und Qualität des untersuchten Materials.
Auf diese Weise kann man auch Perowskite analysieren, um herauszufinden, warum sie schneller altern als Silizium, wie ihre Effizienz verbessert werden kann und wie homogenere Schichten hergestellt werden können. Perowskite sind Mineralien mit einer bestimmten Kristallstruktur. Für Solarzellen sind die Halogene Jod und Brom hergenommen, wobei sie noch weitere Elemente in einem komplexen Mix enthalten. Dieser Mix macht Perowskite zu einem prima Absorber für Sonneneinstrahlung: Die Photonen regen Elektronen in den Atomen an und sorgen so für einen Stromfluss. Der Vorteil von Perowskiten gegenüber Silizium liegt in der effizienteren Absorption des Sonnenlichts: durch etwa 100x stärkere Absorption können die Zellen 100x dünner gemacht werden.
Das Problem von Röntgenuntersuchungen bei Perowskiten jedoch ist, dass diese Röntgenlicht noch viel schlechter vertragen als optisches Licht. „Man kann quasi zuschauen, wie das Material unter der ionisierenden Röntgenstrahlung altert und sich binnen kürzester Zeit so verändert, dass wir es mit herkömmlichen XEOL-Technologien gar nicht schnell genug untersuchen können“, sagt Stückelberger. Und eben dies soll Axolotl verbessern, indem sein Aufbau auf maximale Effizienz der Detektion und Geschwindigkeit optimiert ist. Damit kommt der Aufbau mit viel schwächeren Röntgenstrahlen aus und erlaubt Messungen nach dem Grundsatz: schneller messen als das Material altert.
Möglich wurde dies durch äußerste Präzision: Komponenten wie Spiegel und Linsen sind auf weniger als einen Mikrometer genau positioniert. „Allerdings verschiebt sich das ganze wieder, allein wenn wir den schwarzen, recht leichten Deckel des lichtdichten Kastens heben, um hineinzuschauen“, berichtet Jackson Barp, der als Doktorand bei DESY Axolotl mitentwickelt hat. „Darum haben wir alle kritischen Bestandteile mit motorisierten Stellschrauben versehen, um sie von außen wieder korrekt justieren zu können.“ Die dadurch erreichbare Genauigkeit ist beeindruckend: „Der Aufbau ermöglicht XEOL-Spektroskopie mit einer räumlichen Auflösung von unter 100 Nanometern, einer zeitlichen Auflösung von unter 100 Pikosekunden und einer spektralen Auflösung von unter einem Nanometer in der Wellenlänge des Lumineszenzlichts“, berichtet Alf Mews vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Hamburg, dessen Team an der Entwicklung von Axolotl beteiligt war.
Der Aufwand lohnt sich: Denn im Vergleich zu optischen Messungen mit Laserlicht, „Photolumineszenz-Verfahren“ genannt, dringt Röntgenlicht geradeaus ins Material ein und liefert entsprechend höher aufgelöste Informationen über die Struktur auch unter der Oberfläche. „Noch wichtiger jedoch ist, dass wir nun erstmals mehrere Aspekte gleichzeitig messen können“, sagt Stückelberger. Das Lichtspektrum und die Lebensdauer von Ladungsträgern in einer Solarzelle liefert auch die klassische Photoluminiszenz. Wobei sich die Lebensdauer unmittelbar aus der Zeitspanne zwischen dem Eintreffen von Laser- oder Röntgenpuls und der Emission des dadurch angeregten Photons ergibt. Das läuft binnen Nanosekunden ab. Und je länger das Material im angeregten Zustand bleibt, desto höher seine Qualität.
Idealerweise kombiniert man Axolotl mit Detektoren zur Messung der Röntgenfluoreszenz, welche zusätzlich auch noch Daten liefern zur Verteilung der Elemente. Schon länger ist bekannt, dass die Oberfläche von Perowskiten eine gewisse Faltigkeit aufweist und sozusagen kleine Bergrücken und Täler bildet, was für eine inhomogene Leistungsdichte sorgt und der Gesamt-Effizienz abträglich ist. Außerdem zeigte sich, dass die Haltbarkeit steigt, wenn zum Elemente-Mix neben den anionischen (also negativ geladenen) Halogenen und organischen positiv geladenen Kationen auch Caesium hinzugegeben wird. Stückelberger und sein Team untersuchten Perowskite mit Methylammonium, Formamidinium und Caesium als Kationen, wobei sie den Caesium-Gehalt in drei Stufen steigerten.
Sie stellten fest, dass das Caesium der Stabilität des Perowskits zugutekommt, gleichzeitig jedoch die Effizienz – also der Wirkungsgrad – sinkt. Letzteres hängt wahrscheinlich mit einer beobachteten Verstärkung der Faltenbildung zusammen: Die Halogene Brom und Iod sind mit steigendem Caesium-Gehalt ungleicher verteilt. „Solche Zusammenhänge lassen sich erst mit Axolotl feststellen,“ sagt Stückelberger.
Klar ist jedenfalls, dass die Hersteller von Perowskit-Solarzellen mit Axolotl ein buchstäblich tieferes Verständnis ihrer Materialien erlangen können. „Wir treten nun in eine neue Phase für Perowskit-basierte Solarzellen ein, in der ein viel tieferes Verständis der Materialeigenschaften kritisch ist, um die verbleibenden Herausforderungen zu lösen“, sagt Erkan Aydin, Forscher an der Universität München, der an der Studie beteiligt war. „Das neue Instrument erweitert unser Wissen von Einzel- und Tandemsolarzellen, mit Anwendungen sowohl auf der Erde wie im All.“
Partner der ersten Studie mit Axolotl war außerdem die saudi-arabische King Abdullah University of Science and Technology KAUST, die auch vorher schon mit Stückelbergers Team zusammengearbeitet hat, um bei DESY Perowskite zu untersuchen und zu optimieren. So ist die KAUST bei der Entwicklung von Perowskit-Solarzellen weltweit führend, hat vergangenes Jahr mit 33,7 Prozent einen Weltrekord aufgestellt für den Wirkungsgrad einer Tandem-Solarzelle aus einer Silizium- und einer Perowskitsolarzelle. „Die Reproduzierbarkeit der Verarbeitung und die Degradation der Bauelemente sind jedoch nach wie vor eine Herausforderung“, sagt Stefaan De Wolf, Leiter des KAUST Solar Centers. „Die korrelative, multimodale Charakterisierung mit Axolotl stellt ein äußerst wertvolles Instrument dar, um die Reife von Perowskit-Solartechnologien zu beschleunigen.“ Tobias Kipp von der Universität Hamburg ergänzt: “Über Solarzellen hinaus kann mit Axolotl die ganze Bandbreite von Halbleitern charakterisiert werden. Insbesondere untersuchen wir damit die optischen Eigenschaften kolloidaler Nanostrukturen mit bisher unerreichter räumlicher Auflösung.“
Dabei sei Axolotl an der Strahlführung P06 von PETRA III erst der Anfang, betont Michael Stückelberger. Denn mit dem geplanten Ausbau der Röntgenlichtquelle zu PETRA IV könne Axolotl noch weitaus sensiblere und präzisere Messungen durchführen. „Das wird uns die systematische Verbesserung von Perowskit-Solarzellen in enger Zusammenarbeit mit den führenden Herstellern erheblich erleichtern.“
Originalveröffentlichung:
Novel Detection Scheme for Temporal and Spectral X-Ray Optical Analysis: Study of Triple-Cation Perovskites. Christina Ossig, Christian Strelow, Jan Flügge, Svenja Patjens, Jan Garrevoet, Kathryn Spiers, Jackson L. Barp, Jr., Johannes Hagemann, Frank Seiboth, Michele De Bastiani, Erkan Aydin, Furkan H. Isikgor, Stefaan De Wolf, Gerald Falkenberg, Alf Mews, Christian G. Schroer, Tobias Kipp, and Michael E. Stuckelberger. PRX Energy 3, 023011 – Published 27 June 2024.
https://journals.aps.org/prxenergy/abstract/10.1103/PRXEnergy.3.023011
veröffentlicht
- 08.07.2024
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